Value vs. Growth
Das „Fearless Girl“ der US-amerikanischen Bildhauerin Kristen Visbal Auge in Auge mit dem „Charging Bull“ an der New Yorker Wall Street.
Value vs. Growth: Stehen Value-Aktien vor einer Renaissance?
Value Investments haben Anlegern in den vergangenen Jahren wenig Freude bereitet, zeigten sie doch gegenüber Wachstumstiteln eine beträchtliche Underperformance. Ungewöhnlich, da Value-Aktien zuvor über längere Zeiträume immer klar besser performten als Growth-Titel. Ob klassisches Value Investing nun vor einer Renaissance steht, klärt Stefan Riße von Acatis.
Was ist eigentlich Value und was ist eigentlich Growth?
Diese beiden Begriffe werden immer wieder genannt, um gewisse Aktiengattungen voneinander zu unterscheiden. Doch was unterscheidet beide eigentlich voneinander?
In der Grundidee stellt man sich unter einer Wachstumsaktie beziehungsweise einem Growth-Titel ein Unternehmen vor, das hohe Wachstumsraten aufweist, zumeist im Bereich zukunftsweisender Technologien unterwegs ist und deutlich schneller wächst als die Wirtschaft insgesamt. Valueaktien – oder auf Deutsch – werthaltige Titel sind hingegen solche Unternehmen aus alteingesessenen, etablierten Industrien. Idealerweise wachsen auch sie, aber eben bei Weitem nicht so stark. Dementsprechend unterschiedlich fällt die Bewertung aus.
Gemessen an den aktuellen Erträgen und der Kennzahl Kurs/Gewinn-Verhältnis (KGV) sind Wachstumsaktien in der Regel teurer als Valueaktien, weil sie die hohen Wachstumsraten der Zukunft im aktuellen Kurs inkludieren. Gerade zuletzt wurden beide Aktienkategorien immer wieder miteinander verglichen, weil in den vergangenen Jahren die in der Historie meist zu teuren Growth-Werte, Value-Titel in der Performance klar hinter sich gelassen haben. Das hatte es zuvor über einen so langen Zeitraum noch nie gegeben (siehe Chart).
Erklärung des Charts: Der Chart zeigt die Entwicklung von US-amerikanischen Value-Prämien ab Mitte 1936. Die Value-Prämie bezeichnet die zehnjährige rollierende Renditedifferenz zwischen Aktien mit niedrigem relativem Preis (Value) und Aktien mit hohem relativem Preis (Growth). In den Phasen über 0 outperformten Value-Titel die Growth-Aktien. Daten: https://mba.tuck.dartmouth.edu/pages/faculty/ken.french/data_library.html
Der Vergleich hinkt
Für den schematisierten Vergleich zwischen Growth- und Value-Aktien, der zuletzt immer wieder dargestellt wurde, werden jedoch nicht einmal Bewertungsmaßstäbe wie das KGV herangezogen. Sie basieren ausschließlich auf Basis des Kurs-Buchwert-Verhältnisses (KBV). Kurz gesagt, es werden die Aktien mit einem geringen KBV mit den Aktien verglichen, die ein hohes KBV besitzen. Das KBV drückt aus, was ein Unternehmen Stand heute wert ist, wenn man es liquidieren würde. Hat ein Unternehmen ein KBV von Eins, dann kann man es theoretisch zerschlagen und bis zum letzten Computer allen Besitz des Unternehmens veräußern, mögliche Schulden abbezahlen und dann plus minus Null raus gehen. Liegt das Kurs-Buchwert-Verhältnis unter Eins, dürfte der Erlös aus der Liquidation dann sogar höher sein, als man an der Börse für das Unternehmen bezahlt hat. Verglichen werden oft zehnjährige rollierende Renditen. Es wird also zurückgeschaut, ob es besser gewesen wäre, vor zehn Jahren in Value-Aktien angelegt zu haben oder in Growth-Aktien.
Diese Vergleichsmethode basiert auf dem 3-Faktor Modell der Wirtschaftsprofessoren Kenneth French und Eugene Fama. Letzterer ist vor allem für die Erfindung der Kapitalmarkteffizienztheorie bekannt, die mit den realen Umständen an den Finanzmärkten allerdings wenig gemein hat. Nichtsdestotrotz erhielt er hierfür einen Nobelpreis. Wirtschaftswissenschaftliche Theorien müssen nur in sich und ihrer simulierten Welt schlüssig sein, und nicht der Realität standhalten. Das war schon immer so. Auch für den Vergleich von Value und Growth greift die Methode zu kurz. Den Faktor „Value“ allein auf ein geringes Kurs/Buchwert-Verhältnis zu reduzieren, ist falsch. Der Wert eines Unternehmens ist vielmehr als seine heutige Substanz. Viel wichtiger sind die freien Cash-Flows, die es in der Zukunft erwirtschaften wird. Diese sind dann noch abzuzinsen. Hier findet sich dann auch ein durchaus berechtigter Grund für die bessere Performance von Wachstumsaktien in den vergangenen Jahren. Denn je geringer der Zins, desto weniger reduzieren sich die zukünftigen Gewinne durch das Abzinsen.
Widerstandsfähigkeit des Geschäftsmodels ist entscheidend
Natürlich ist es deutlich schwerer zukünftige Erträge zu prognostizieren als den Buchwert eines Unternehmens zu ermitteln. Das übernehmen ja schon die Wirtschaftsprüfer. Insofern sind die Ansprüche an uns Value-Investoren gewachsen. Denn in einer durch disruptive Technologien sich immer schneller wandelnden Welt, kommt dem zukünftigen Ertrag und damit der Widerstandsfähigkeit eines Geschäftsmodels eine immer größere Bedeutung zu. Der berühmteste Value-Investor aller Zeiten, Warren Buffet, gibt hier Orientierung mit den Kriterien, die er aufgestellt hat für eine Value-Aktie. Der Buchwert spielt hierbei keine so wichtige Rolle. Wichtig für ihn sind hohe Gewinnmargen, ein Burggraben als Schutz vor Konkurrenz, ein verantwortungsvolles Management, das das Geld der Aktionäre richtig zu allokieren weiß und dauerhaftes Wachstum. Schon 1992 schrieb Buffett in den Geschäftsbericht seiner Investmentholding Berkshire Hathaway, dass ein Unternehmen mit einem hohen Kurs/Buchwert-Verhältnis, einem hohen Kurs-Gewinn/Verhältnis und einer niedrigen Dividendenrendite ebenfalls eine Value-Aktie sein kann. So kann man sich heute trefflich darüber streiten, ob ein Unternehmen wie Microsoft nicht eine Value-Aktie ist, denn sie erfüllt ja all die oben genannten Kriterien.
Doch kommen wir noch einmal auf den standardisierten Vergleich von Value und Growth zurück: Ist eine starke konjunkturelle Erholung aufgrund des fortschreitenden Impfprozesses absehbar, kann es schon sein, dass die zyklischen Aktien wie Banken oder Automobile, die sich derzeit oft durch ein niedriges KBV auszeichnen, einen Teil ihrer Underperformance aufholen. An der sich fortsetzenden Disruption in fast allen Branchen wird sich jedoch nichts ändern und auch nichts daran, dass nur Unternehmen mit einem zukunftsträchtigen Geschäftsmodell höher bezahlt werden.
Wichtiger rechtlicher Hinweis:
Diese Publikation dient lediglich allgemeinen Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung zu Finanzinstrumenten oder Wertpapieren dar, stellt kein Angebot zum Verkauf und keine Aufforderung zur Abgabe eines Angebots für den Kauf von Kapitalanlagen dar, stellt keine Rechts- oder Steuerberatung dar, und ist nicht als Empfehlung zum Kauf von Kapitalanlagen zu verstehen. Konkrete produktbezogene Risikohinweise sind in den jeweiligen Verkaufsunterlagen (wie insbesondere in dem Produkt Informationsblatt nach WpHG §31, den wesentlichen Anlegerinformationen (Z.B. KIID, VIB, PRIB) und dem Verkaufsprospekt des jeweiligen Finanzinstruments enthalten. Der Nutzer der hier dargebotenen Publikation wird die nachfolgenden Informationen vertraulich behandeln und insbesondere nicht an Dritte weitergeben. Vertrauliche Informationen sind alle nicht öffentlich zugänglichen Informationen, insbesondere, aber nicht ausschließlich, über die vom Anbieter vorgestellte Geschäftstätigkeit, Arbeitsabläufe, Produkte und Dienstleistungen, Vertriebs- & Provisionskonditionen, technische und andere Verfahren des Anbieters sowie von sonstigen Dritten, mit denen der Anbieter in Geschäftsbeziehung steht und welche gegenüber dem Nutzer offengelegt oder zugänglich gemacht werden. Nicht als vertraulich gelten solche Informationen, die öffentlich zugänglich sind, die dem Nutzer durch einen Dritten bekannt gemacht wurden oder werden oder anderweitig bekannt sind, soweit die Erlangung dieser Informationen durch den Dritten nicht auf dem Bruch von gesetzlichen oder vertraglichen Bestimmungen beruht. Die Netfonds AG hat als Anbieter der Publikation sämtliche Informationen mit größter Sorgfalt zusammengestellt, kann aber für die Richtigkeit und Aktualität keine Gewähr übernehmen.